Piano Pieces – Klaviere. Klänge. Kunst.

    
In seiner jüngeren Ausstellungsgeschichte verfolgt das Salzburg Museum immer wieder das Ziel, seinen umfassenden Sammlungsbestand zur Kunst- und Kulturgeschichte von Salzburg in speziellen Dialogsituationen zwischen Epochen, Kunstgattungen, Medien und KünstlerInnen zu präsentieren.

Eine wichtige Rolle bei der Themenfindung und der Ausstellungskonzeption spielt neben der eigenen Sammlung auch der Ortsbezug, der beim aktuellen Projekt „Piano Pieces“ die beiden Begriffsfelder Musik und Bildende Kunst in besonderer Weise in der – nicht nur von Mozart geprägten – Festspielstadt Salzburg zusammenführt.

Für die Ausstellung in der Kunsthalle der Neuen Residenz bildet ein umfangreicher Bestand des Salzburg Museum an Klavieren den Ausgangspunkt für ein Konzept, das eine Auswahl von Instrumenten mit Musikstücken und Kunstwerken vom 17. bis zum 21. Jahrhundert verbindet.

Das Resultat ist eine Ausstellung, die Klaviere mit Klang- und Tonbeispielen sowie künstlerischen Arbeiten zusammenführt – als Referenz auf ein Instrument und eine mit Klavieren verbundene sehr lebendige und abwechslungsreiche Kunstgeschichte.
   
„Piano Pieces“ zeigt Arbeiten und Projekte u.a. von Adel Abdessemed, Cory Arcangel, Laëtitia Badaut Haussmann, Monika Baumgartl, Magdalena Broska, Gregor Graf, G.R.A.M., Diango Hernández, Rainer Iglar, Ragnar Kjartansson, Karl-Heinz Klopf, Ute Klophaus, Michael Krupica/Manon-Liu Winter, Shigeko Kubota, Sigrid Kurz, Hermann Landshoff, Hyo Lee, Tim Lee, Manfred Leve, Katharina Mayer, Arnold Newman, Gabriel Orozco, Fritz Panzer, Elfriede Reichelt, Gerhard Rühm, Erich Salomon, August Sander, Franz Sedlacek, Günther Uecker, Karl Valentin und Leo Zogmayer sowie Arbeiten aus der Sammlung des Salzburg Museum u.a. von Anton Faistauer, Alfred Gerstenbrand, Clemens Holzmeister, Hans Jakob Mann und Carl Schütz. 

Hammerflügel (Nr. 121), John Broadwood, London, 1785–90, Sammlung Wlaschek, Inv.-Nr. 4-4
Hammerflügel (Nr. 121), John Broadwood, London, 1785–90, Sammlung Wlaschek, Inv.-Nr. 4-4Klicken um Bild zu vergrößern

Hammerflügel

    
Hinter dem Namen „Broadwood“ verbirgt sich der älteste noch bestehende Markenname in der Klavierbaugeschichte. 1728 von Burkat Shudi (1702–1773) gegründet, wurde die Manufaktur ab 1772 von dessen Schwiegersohn John Broadwood (1732–1812) geführt. Die ersten Instrumente waren Tafelklaviere. 1777 verband sich John Broadwood mit Robert Stodart (1748–1831) und entwickelte ein „Fortepiano“ in der Flügelform. Der präsentierte „Grand“ mit 5½ Oktaven Tonumfang ist in die Bauperiode zwischen 1785 und 1790 zu datieren und wurde zu einem späteren Zeitpunkt mit Genreszenen, Landschaften und Blütenmotiven bemalt.

Tafelklavier, Érard, Paris, um 1800, Sammlung Wlaschek, Inv.-Nr. 5-3
Tafelklavier, Érard, Paris, um 1800, Sammlung Wlaschek, Inv.-Nr. 5-3Klicken um Bild zu vergrößern

Tafelklavier

   
Laut Inschrift auf dem Resonanzboden wurde das Instrument von J.B. Luidant, dem ersten Vorarbeiter von Sébastien Érard und Vater des Klavier-Komponisten Alfred Luidant (1815–1893), um 1800 gebaut. Restaurierungen und Überarbeitungen wurden ebenfalls im Haus Érard vorgenommen. Das Instrument lehnt sich in Konstruktion und Bauweise an die typischen englischen Tafelklaviere seiner Zeit an. Sébastian Érard baute diese ab ca. 1776 nach. Die bahnbrechenden Patente des Hauses Érard, welche die Möglichkeit zur schnellen Repetition mit sich brachten, sind in diesem Instrument noch nicht zu finden.

Giraffenflügel, Heinrich Christian Janszen (erw. 1813–49), Wien, 1824, Salzburg Museum, Inv.-Nr. MI 1034
Giraffenflügel, Heinrich Christian Janszen (erw. 1813–49), Wien, 1824, Salzburg Museum, Inv.-Nr. MI 1034Klicken um Bild zu vergrößern

Giraffenflügel

   
„À la giraffe“ heißt dieser Platz sparende Klaviertypus, der durch seine Bauart an die Silhouette einer Giraffe erinnert und vor allem in der Zeit zwischen 1810 und 1850 in Wien beliebt war. Das gezeigte Instrument wurde von Heinrich Christian Janszen in Wien (Mariahilf, No. 154) gebaut, signiert, aber nicht datiert. Da Janszen für das Jahr 1824 ein ausschließlich einjähriges Privileg auf „doppelten Resonanzboden“ hatte, lässt sich das Instrument präzise mit dieser Zeitangabe festlegen. Die seitlich angelehnte Figur des Orpheus dürfte eine spätere Zutat sein. Das Instrument kam 1903 durch Ankauf an das Museum und wurde 1981 restauriert.

Neo-Bechstein-Flügel, Carl Bechstein, Siemens, Berlin, 1932, Sammlung Wlaschek, Inv.-Nr. 4-37
Neo-Bechstein-Flügel, Carl Bechstein, Siemens, Berlin, 1932, Sammlung Wlaschek, Inv.-Nr. 4-37Klicken um Bild zu vergrößern

Neo-Bechstein-Flügel

   
Der 1,40 m lange „Neo-Bechstein-Flügel“, entwickelt von den Firmen Bechstein und Siemens sowie dem Nobelpreisträger Walther Nernst (1864–1941), hat keinen Resonanzboden und nutzt die elektromagnetische Schallabnahme von schwingenden Saiten und deren elektronische Verstärkung. Dabei werden die Saiten durch „Mikrohämmerchen“ angeschlagen und die Schwingung induktiv mit Tonabnehmern aufgenommen, mit einem Röhrenverstärker verstärkt und über Lautsprecher wiedergegeben. An den Verstärker kann man zusätzlich einen Schallplattenspieler oder ein Radioempfangsgerät anschließen. Das rechte Pedal dient der Lautstärkenregelung, das linke erzeugt Toneffekte des Cembalos und der Celesta. 

Günther Uecker, Piano, 1964, Nägel, weiße Farbe auf schwarzem Klavier, Sammlung Würth, Künzelsau. Foto: Philipp Schönborn, München. Günther Uecker © Bildrecht, Wien 2015
Günther Uecker, Piano, 1964, Nägel, weiße Farbe auf schwarzem Klavier, Sammlung Würth, Künzelsau. Foto: Philipp Schönborn, München. Günther Uecker © Bildrecht, Wien 2015Klicken um Bild zu vergrößern

Günther Uecker

   
Das 1964 entstandene „Piano“ von Günther Uecker stellt ein frühes Beispiel seiner in den 1960er Jahren einsetzenden „Übernagelung“ von Möbeln und Musikinstrumenten sowie anderen Gebrauchsgegenständen dar. Der Einsatz der Stahlstifte war anarchisch, aggressiv, progressiv und ästhetisch. Zum Zeitpunkt der Entstehung des „Pianos“ gehörte Günther Uecker der von Otto Piene und Heinz Mack gegründeten Künstlergruppe „ZERO“ an. Indem „ZERO“ immer auch eine Phase des Schweigens und der Stille bezeichnete, erscheint Ueckers „Piano“ als eindrucksvolle Besetzung einer Zwischenzone, in der sich der alte Zustand eines Instruments in einen neuen Objektstatus verwandelte.

Fritz Panzer, Hommage an Nam June Paik, 2010, Drahtskulptur, Courtesy: Fritz Panzer und Galerie Krobath Wien, Berlin
Fritz Panzer, Hommage an Nam June Paik, 2010, Drahtskulptur, Courtesy: Fritz Panzer und Galerie Krobath Wien, BerlinKlicken um Bild zu vergrößern

Fritz Panzer

   
Im Sinne des Titels seiner Drahtskulptur stellt Fritz Panzers „Hommage an Nam June Paik“ eine direkte Bezugnahme auf den koreanisch-amerikanischen Pionier der Medienkunst dar. Panzer übersetzte dessen berühmtes „Klavier Intégral“ von 1963 in eine Drahtskulptur. Diese erscheint wie eine großformatige Zeichnung im Raum. 

Monika Baumgartl, Joseph Beuys mit Henning Christiansen, „Celtic (Kinloch Rannoch): The Scottish Symphony“, Aufführung vom 23. bis 30. August 1970, Gelatinsilberabzug, Stiftung Museum Kunst Palast, AFORK © Stiftung Mozarteum Kunst Palast - ARTOTHEK © Monika Baumgartl Joseph Beuys © Bildrecht, Wien 2015
Monika Baumgartl, Joseph Beuys mit Henning Christiansen, „Celtic (Kinloch Rannoch): The Scottish Symphony“, Aufführung vom 23. bis 30. August 1970, Gelatinsilberabzug, Stiftung Museum Kunst Palast, AFORK © Stiftung Mozarteum Kunst Palast - ARTOTHEKKlicken um Bild zu vergrößern

Monika Baumgartl

   
Im Sommer 1970 begleitete Monika Baumgartl als Fotografin die mehrtägige Aktion „Celtic (Kinloch Rannoch): The Scottish Symphony“, die Joseph Beuys und der dänische Künstler und Komponist Henning Christiansen im Rahmen der Ausstellung „Strategy: Get Arts“ bei den Edinburgher Festspielen in Schottland realisierten. Beeindruckt von den schottischen Hochmooren und prähistorischen Steinmonumenten entwickelte Beuys im Austausch mit Christiansen ein Stück, bei dessen Aufführung verschiedene Utensilien bzw. Requisiten in Verbindung mit konkreten Handlungen und akustischen Elementen ein symbolisch aufgeladenes „Fluxus-Theater“ ergaben.

John Cage, Water Music, 1952, Partitur, Frankfurt: Edition Peters No. 6770, Privatarchiv, Salzburg
John Cage, Water Music, 1952, Partitur, Frankfurt: Edition Peters No. 6770, Privatarchiv, SalzburgKlicken um Bild zu vergrößern

John Cage

   
Die Aufnahmen des Fotografen Manfred Leve zeigen den Pianisten David Tudor bei der Aufführung von John Cages Komposition „Water Music“ im Rahmen des Contre Festivals in Köln 1960. Während des Stücks musste Tudor nicht nur das Klavier bespielen, sondern auch eine Reihe von vorgegebenen Tätigkeiten ausführen. Hierfür standen ihm u. a. ein Radio, ein Topf, eine Pfeife, eine Wasserschale und ein Holzstab zur Verfügung. Den Ablauf hatte Cage mit genauen Zeitangaben auf seiner Partitur vermerkt. Das „Notenmaterial“ musste während der Aufführung für das Publikum gut sichtbar aufgehängt sein. Die Komposition gilt als die früheste musikalisch-performative Arbeit Cages. Sie vermittelt sein immer stärkeres Interesse für eine Aufführungspraxis, die durch außermusikalische Elemente und die Integrierung von Alltagsgeräuschen bestimmt wird. 

Katharina Mayer, aus der Serie „familia“: Familie Aldington, London, 2008, C-print, Diasec, Courtesy: Galerie Bernd A. Lausberg, Düsseldorf
Katharina Mayer, aus der Serie „familia“: Familie Aldington, London, 2008, C-print, Diasec, Courtesy: Galerie Bernd A. Lausberg, DüsseldorfKlicken um Bild zu vergrößern

Katharina Mayer

   
Im Werk Katharina Mayers bilden Fotografien von Familien eine eigenständige Gruppe von Bildern. Jede Fotografie wirkt wie eine künstlerische „Familienaufstellung“, die zumeist im persönlichen Lebensumfeld der Porträtierten entsteht und häufig die Wirkung der Familie auf die Künstlerin zum Ausdruck bringt. Katharina Mayers Bild einer Bankiersfamilie entstand 2008 in London und zeigt die Mutter mit ihren Kindern vor dem großen und fast übermächtigen Porträt des Vaters. Während dieser als „Bild im Bild“ ungemein präsent erscheint und die Mutter mit einer gewissen Gelassenheit vor der Kamera steht, ergibt sich zwischen den Kindern über Berührungen und Blicke eine stumme und behutsame Interaktion, in deren Zentrum der geöffnete Flügel steht. 

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